Kleine Einführung in die Druckgrafik
Der Begriff Grafik wird im allgemeinen Sprachgebrauch sehr unterschiedlich verwendet und verstanden. Wenn wir einmal von der ganz speziellen Bedeutung des Begriffs Grafik zur Benennung der Wissenschaft diplomatischer Schriftenkunde absehen, kann man zwei Bedeutungen unterscheiden: eine umfassendere sowie eine enggefasste Bedeutung.
Versteht man unter Grafik im weitesten Sinne den Sammelbegriff aller Tätigkeiten zeichnerischen Bildgestaltens, also sämtliche Weisen künstlerischer, technischer und industrieller Zeichnung sowie ferner deren drucktechnische Vervielfältigung, so beschränkt sich die engste Begriffverwendung allein auf die künstlerische Druckgrafik.
In diesem Fall der gezielten Betrachtungsweise wird auch das Einzelergebnis, das Blatt oder der Abzug, als Grafik bezeichnet und bildet als solches sogar einen Gegensatz zur Zeichnung.
Wir möchten uns hier ausschließlich mit der künstlerischen Ausdrucksform der Druckgrafik beschäftigen – mit ihren Techniken und ihren vielfältigen Möglichkeiten des Schaffens und Sammelns.
Mit der Erfindung des Bilddrucks brach gegen Ende des 14. Jahrhunderts eine neue Ära der Menschheitsgeschichte an, deren Bedeutung höchstens mit jener der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg um 1455 zu vergleichen ist.
Unter „Druck“ verstehen wir ganz allgemein, die dafür in Druckfarbe auf einer Platte, der Druckform, mit geeigneten Mitteln aufgebrachten linearen oder flächigen Gebilde durch Aufpressen von Papier oder ein anderes, als Druckträger geeignetes, Material wiederholbar zu übertragen.
Diese Wiederholbarkeit, also der Vervielfältigungscharakter der Druckgrafik, wird vielfach als das eigentliche Wesen des Bilddrucks betrachtet, was immer wieder zu einer Abwertung des Druckwerks gegenüber anderen Kunstgattungen, die nur Unikate (Einzelstücke) hervorbrachten, geführt hat.
Eine solche Sichtweise sollte man nun wirklich nicht teilen.
Jeder Umgang mit Holz und den Schneidemessern, mit Kupferplatten und Grabsticheln, mit Schablonen und Sieben, mit Lithosteinen, Kreiden, Säuren, Druckfarben und Pressen kann man nicht nur als einen sehr handwerklichen und technischen Aspekt des Schaffens betrachten. Er ist nicht zuletzt auch eine ganz grundsätzliche Form des künstlerischen Ausdrucks, den man in keinem anderen Bereich des kreativen Spektrums eines Künstlers wiederfinden wird.
Deshalb haben auch viele Maler, die sich ansonsten nur auf Leinwand und in Zeichnungen ausdrückten, ganz bewußt die drucktechnischen Möglichkeiten für den optimalen Ausdruck ihrer künstlerischen Aussagen gewählt.
Denn gerade die Druckgrafik bietet dem Künstler individuelle Möglichkeiten der Gestaltung, Stilisierung und der Kreation insgesamt, wie wir später noch sehen werden.
Das durch den Druckprozeß geschaffene Einzelblatt nennt man in der Fachsprache der Grafiker und Sammler einen „Abzug“.
Die Gesamtzahl der „Abzüge“ eines Blattes ist die „Auflage“.
Wieviele Abzüge von einem Druckstock, der sog. „Druckplatte“, produziert werden, liegt ganz im Ermessen des Künstlers. Er bestimmt also den Umfang der Auflage.
Die Limitierung der Auflage dient nicht zuletzt dem Schutz des Künstlers vor unbefugter Neuauflage und vor Nachdrucken.
Die Höhe der Auflage wird seit etwa 1880 auch eigenhändig vom Künstler auf dem gedruckten Blatt, und nicht etwa nur auf der Druckplatte, vermerkt und mit der Signatur des Künstlers bestätigt.
Man ist mit der Zeit dazu übergegangen, der Höhe der Auflage auch noch die Nummer des Einzelblatts voranzustellen, also „23/400“ als Bezeichnung des 23. Drucks einer Gesamtauflage von 400 Blatt.
Diese handschriftlichen Angaben sind natürlich sehr wichtig und finden vor allem bei Sammlern höchste Aufmerksamkeit.
Es gibt allerdings auch Drucke, die außerhalb der Auflage produziert wurden. Man nennt diese Abzüge auch „Vorzugsdrucke“.
Solche Exemplare sind natürlich viel seltener und deshalb auch unter Sammlern noch heißer begehrt als die regulären Auflagendrucke eines Druckstocks.
Hierbei kann man unter mindestens sechs Arten von „Vorzugsdrucken“ für den Sammler unterscheiden:
1.Blätter„avant la lettre“
„Avant la lettre“bedeutet „vor der Schrift“ und bezeichnet Drucke, die als Probeabzüge der Zeichnung angefertigt wurden, bevor der Schriftstecher den Druck mit der nötigen Adresse (Beschriftung) versehen hatte.
Solche Abzüge zeichnen sich durch eine sehr frische Farbgebung aus und sind zum Teil noch unvollständig. Es können z. B. auch noch einzelne Randpartien oder großflächige Bereiche des Bildes unausgeführt sein.
2.Probedrucke„ Epreuve d`Etat“
Man nennt diese Testabzüge einer Auflage auch „Epreuve d`Etat“. Es handelt sich um sehr seltene „Zustandsdrucke“ vor der endgültigen Fertigstellung der Druckformen.
3.„Epreuve d`Artiste“ („E.A.”)
Vor Beginn der ersten Auflage wird, für den Eigenbedarf des Künstlers, eine Anzahl nicht-nummerierter Abzüge, die „Epreuve d`Artiste“, hergestellt. Üblicherweise waren dies etwa 10 bis 20 Stück eines Bildes. Aber auch zeitgenössische Künstler reservieren sich oft höhere Stückzahlen für den Eigenbedarf.
4.Abzüge mit„Remarquen“
Unter einer „Remarque“ versteht man am Rand der Platte vom Künstler oder Drucker angebrachte Ätzproben, die vor der endgültigen Fertigstellung der Platte entfernt werden. Diese Remarquen weisen also in jedem Fall auf einen Druck vor der eigentlichen Auflage hin.
Dementsprechend selten sind diese Blätter im Kunsthandel zu finden.
5.Arbeitszustände von der fertigen Platte„Etats“
Wenn ein Künstler eine Platte herstellt, werden während der Herstellungszeit immer wieder Probeabzüge gemacht, die der Korrektur der Zeichnung und der Binnenstrukturen geschlossener Formen dienen.
Solche Abzüge zeigen wunderbar die einzelnen Arbeitsschritte des Künstlers sowie die unterschiedlichen kompositorischen Phasen, die ein Bild während seiner Entstehung durchläuft.
6.Vorzugsabzüge auf seltenen Papieren
Abzüge auf wertvollen Japanpapieren oder auf Seiden wurden schon zu Dürers Zeiten für ganz besondere Vorzugskunden angefertigt.
7.Qualitätskriterien
Zunächst sollte man sich immer vor Augen halten, dass es für ein Kunstwerk eigentlich immer nur ein einziges Beurteilungskriterium geben sollte. Die künstlerische Aussagekraft.
Allerdings beinhaltet die Druckgrafik, im Gegensatz zu vielen anderen künstlerischen Ausdrucksformen, noch einen zweiten Aspekt, den zu berücksichtigen man nicht versäumen sollte. Das handwerkliche Geschick.
8.Bildangaben
Etwa vom 17. bis zum 19. Jahrhundert war es üblich, am unteren Bildrand einige kurze Angaben über die Autorenschaft eines Werks zu machen.
Hierbei bediente man sich eigener Abkürzungen, meist lateinischen Ursprungs, die hier kurz erklärt werden sollen:
pinx.= pinxit= gemalt von... |
del.= delineavit= gezeichnet von… |
in., inv.= invenit= erfunden von… |
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Sc., sculp.= sculpsit= gestochen von… |
inc.= incidit= geschnitten von… |
Lith.= lithographiert von… |
f., fe., fec.= fecit= gemacht von… |
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imp.= impressit, impresse=gedruckt von… |
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e., ex., exc.= excidit=erschienen bei… |
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oder auch= excudit= verfertigt von... |
Später ging man aber auch von den lateinischen Bezeichnungen ab und verwandte landessprachliche Abkürzungen:
„painted, drawn, invented by“… bzw. “peint, dessiné, inventé par”… oder auch “engraved, aquatinted by”… bzw. “gravé par”…
Künstlersignaturen finden sich schon im frühen 15. Jahrhundert, meist jedoch nur in Form von Initialen, wie damals bei Handwerksbetrieben üblich.
Man spricht bei den Künstlern solcher Grafiken mit Signaturen in Form von Initialen (Monogrammen) von Monogrammisten, da jene Künstler oft nicht namentlich bekannt sind, sondern nur unter ihrem Monogramm.