Wissenswertes über Biedermeiermöbel

Gerne möchte ich mit Ihnen mein Fachwissen teilen. Wenn Sie auf der Suche nach Original Biedermeier-Möbeln sind, würden Sie es wohl begrüßen, Ihre Kaufentscheidung auf der Grundlage korrekt recherchierter Daten über Biedermeier-Mobiliar zu treffen, und sich so vor Imitaten, die heutzutage den Markt überschwemmen, zu schützen. Das Herzstück dieser Einführung bilden folgende wichtige Aspekte für das Erkennen von Qualität und Wert der Original Biedermeier-Möbel.

 

Original Biedermeier

Der Zeitraum von etwa dreißig Jahren nach der Gründung des Deutschen Bunds durch den Wiener Kongress von 1814/15 bis zu den blutigen Revolutionen 1848/49 wird in Deutschland  Biedermeier genannt.

Diese Ära war durch dramatische Veränderungen und Umwälzungen gekennzeichnet. Die bürgerliche Mittelklasse kämpfte für ihre Rechte gegen die Aristokratie, vertrat eine neue Regierungsform und trachtete erfolgreich nach besseren Bildungschancen.

In der Tat wurden aufgrund dieser Entwicklung die Universitätsvorlesungen nicht mehr auf Latein sondern in Deutsch gehalten. In Bayern, Berlin, Frankfurt und Köln kam es zur Gründung der ersten öffentlichen Museen und erste Buchläden, Leihbibliotheken und Lesezirkel wurden eingeführt.

Die Zeit war reif für die Mittelschicht, ihren eigenen Stil zu kreieren, der als Biedermeier bezeichnet wird. Der Möbelstil des Biedermeier wurde ursprünglich von Schreinereibetrieben der Mittelschicht und in den deutschsprachigen Ländern der verschiedenen Möbelregionen entwickelt:

 

  1. Wien und die Donaumonarchie
  2. München und das Königreich Bayern
  3. Mainz und der deutsche Südwesten
  4. die norddeutsche Küstenregion
  5. Berlin
  6. Mitteldeutschland

 

Biedermeier ist kein regional spezifischer Ausdruck, sondern weist, je nach Herkunftsort, unterschiedliche regionale Charakteristika auf.

Einige andere Veröffentlichungen zum Thema der verschiedenen Möbelregionen des Biedermeier sind:

  1. Region um Mainz: Dr. H. Zinnkann, 1985, Dissertation
  2. Münchner Raum: Dr. H. Ottomeyer, 1991
  3. Region um Altona (Norddeutschland): Dr. A.I. Kratz, 1988, Dissertation
  4. Süddeutscher Raum: Prof. R. Haaff, 1991
  5. Region um Flensburg: Prof. Dr. J. Sievers, 1950

 

Das Holz bzw. das Furnier selbst wurde zum wichtigsten Stilelement der Gestaltung und der Dekoration der Biedermeier-Möbel. Insbesondere im süddeutschen Raum bediente man sich ausgesuchter Furniere und verzichtete auf jegliche Applikationen.

Entdecken Sie selbst, wie die Oberflächen mit raffinierten und ausgefallenen Furnierbildern verziert wurden. Die Intarsienarbeiten treten immer mehr in den Hintergrund. Im hochbürgerlichen bzw. aristokratischen Biedermeier wurde jedoch die gesamte Palette an typischen Motiven des Klassizismus ausgeschöpft, wie im Louis XVI und Empire-Stil, Säulen, Delfine, Statuen, Sphinxen, Vasen etc.

Darüber hinaus sagte Dr. Georg Himmelheber, einer der führenden zeitgenössischen Biedermeier-Wissenschaftler, der den Biedermeier-Stil im Bezug auf Möbel erstmals klar definierte: „der echte, authentische Biedermeier-Möbel-Stil endete bereits nach 20 Jahren“ um 1830-35.

 

Biedermeier-Imitate

Zweite Zeit des Biedermeier

Etwa achtzig Jahre nach dem Original Biedermeier läutete die Wiener Ausstellung, anlässlich der Feier des 80sten Jahrestags des Wiener Kongress, 1896, eine Phase der neuen Wertschätzung des Biedermeier ein. Die Veröffentlichungen früher Biedermeier Wissenschaftler wie Josef Folnesics (1902), A. Schestag (1902), Ferdinand Luthmer (1904), Joseph August Lux (1906), Paul Mebes (1908) und andere Ausstellungen in Berlin, Dresden und München trugen zu einer erneuten verstärkten Nachfrage sowie zu einer Ablehnung des Gründerstils der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Möbel der Jahrhundertwende bei. Im Möbeldesign wurden nun klare Formen bevorzugt. Es zeichnete sich jetzt im Bürgertum ein  Modetrend ab, mindestens einen Raum im Haus im Biedermeier-Stil einzurichten.

Diese Biedermeier-Möbel des frühen 20. Jahrhunderts sind jedoch keine Original Biedermeier-Möbel. Es handelt sich um Reproduktionen, die achtzig Jahre später hergestellt wurden. Man bezeichnet diese Phase als zweite Zeit des Biedermeier. Dementsprechend sollten diese Möbelstücke heute verkauft und preislich angesetzt werden. Selbst wenn diese Imitate jetzt hundert Jahre alt sind, werden sie immer nur Nachahmungen des echten Biedermeier sein und niemals den kulturellen Wert und die Sammlerqualität des Original Biedermeier-Mobiliars repräsentieren, das zwischen 1814/15 und 1830-35 gefertigt wurde.

 

Dritte Zeit des Biedermeier

Nach 1918 begann, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, eine weitere Periode der Wertschätzung des Biedermeier-Mobiliars, die als dritte Zeit des Biedermeier bezeichnet werden könnte. Ähnlich wie in der Epoche nach den Befreiungskriegen war diese Zeitspanne geprägt von den Bedürfnissen und Sehnsüchten nach Freiheit. In den 20er Jahren erschienen Veröffentlichungen früherer Biedermeier Forscher. Hartwig Fischel (1919-1923), Hermann Schmitz und Ferdinand Luthmer (1923) sowie Robert Schmidt (1923) dürften diese erneute Nachfrage nach Biedermeier-Möbeln verstärkt haben. Nach 1920 entwickelte sich auch bei den Museen eine neue Wertschätzung dieser Epoche, und man bemühte sich, gezielt Original Biedermeier-Mobiliar zu Ausstellungszwecken zusammenzutragen.

 

Biedermeierkopien bzw. -reproduktionen

Aufgrund der steigenden Popularität des Biedermeier werden unglücklicherweise unzählige Nachbildungen von Hand gefertigt. Dies geschieht überwiegend in osteuropäischen Ländern wie Ungarn, ehemaliges Jugoslawien, Tschechien, Rumänien und Polen. Um den gestiegenen Bedarf zu decken, benutzen talentierte Handwerker neben erheblichen Restbeständen an alten Sägefurnieren und altgelagertem Holz auch antiquarische Werkzeuge und wenden bewährte konventionelle Herstellungsmethoden an, wodurch sich die Unterscheidung der Reproduktionen von den Originalen schwierig gestaltet.

Sowohl die Möbel der zweiten und dritten Zeit des Biedermeier als auch die Kopien wirken äußerlich antik, sind aber kein authentisches Biedermeier. Bedingt durch die steigende Nachfrage tauchen diese Nachbildungen immer öfter auf dem Markt auf und werden nicht selten zum Preis echter Antiquitäten verkauft. Sogar erfahrene Antiquitätenhändler benötigen bisweilen etwas Zeit, um sie, nach eingehender Untersuchung, als Imitate zu entlarven.

 

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