Sammlerleitfaden Druckgrafik

Druckgrafik

Sie fragen sich wahrscheinlich, ob sie das Richtige tun wenn Sie sich entscheiden, einen alten Stich bzw. Druckgrafik zu erwerben. Es folgen einige wichtige Aspekte, die von mir, während meiner 40 jährigen Tätigkeit als Kunsthändler zusammengetragen wurden.

Sicher habe ich nicht alles abgedeckt; ein derartiger Leitfaden kann für sich kaum Vollständigkeit beanspruchen. Sollten Sie noch weitere Informationen benötigen, kontaktieren Sie mich jederzeit gerne via E-Mail.

 

1. Einführung
2. Wie kann man die Echtheit überprüfen?
3. Wie lässt sich die Angemessenheit des Preises feststellen?
4. Kann man einen günstigeren Preis aushandeln?
5. Handelt es sich um eine gute Investition?
6. Mache ich ein Schnäppchen?
7. Wie sieht es mit gestohlenen Waren aus?
8. Was tun wenn man sich mit antiken Stichen bzw. Druckgrafik und Zeichnungen nicht auskennt?
9. Wie viele wurden hergestellt?
10. Wie hoch ist die Qualität?
11. Was sollte ich sammeln?

 

 

1. Einführung

Die Menschen erwerben alte Stiche bzw. Druckgrafik und Zeichnungen aufgrund derselben Motive wegen derer sie überhaupt Kunstwerke kaufen: aus Liebe, zur Kapitalanlage, zur Dekoration, um anzugeben, des Vergnügens Willen, etwas Interessantes zu sammeln. Originalstiche bzw. Drucke, und in einem geringeren Maß Zeichnungen, erlauben die Sammlung von Werken der größten Künstler der Geschichte, was in Bezug auf Gemälde oder Skulpturen nicht mehr möglich ist.

Heutzutage kann man keine Rembrandt-Gemälde sammeln. Rembrandt-Zeichnungen kann man nur sammeln wenn man Multimillionär ist. Aber man kann Rembrandt-Skizzen sammeln. Sie sind womöglich nicht gerade günstig und einige könnten ziemlich teuer sein, aber sie sind im Handel öfter verfügbar. Ein vierstelliger Betrag reicht für eine gute Rembrandt-Skizze, für eine seltene und außergewöhnliche Skizze müssen Sie mit einem fünfstelligen Betrag rechnen.

Posthume Stiche bzw. Druckgrafiken sind deutlich billiger – und so sollte es auch sein. So kann man auch Originale von Dürer, Altdorfer, Ostade, Castiglione, Boucher, Goya, Ruysdael, Manet, Gericault, Picasso und Pissarro kaufen – um nur einige zu nennen; dies wäre horrend teuer oder gar völlig unmöglich was Gemälde betrifft.

Originalgemälde und Zeichnungen können von einer Reihe unterschiedlicher Quellen bezogen werden: von Händlern und Galerien, Auktionshäusern, Antikhändlern, Dekorateuren, Privatpersonen, Flohmärkten, via Internet und so weiter. Findet man Geschmack daran, ist die Frage jedoch nicht nur wo, sondern auch was und wie gekauft werden soll.

 

2. Wie kann man die Echtheit überprüfen?

Wenn man die nötige Fachkenntnis hat, wird man bzgl. der Echtheit eines antiken Stiches keine Probleme haben. Verfügt man über diese Fachkenntnisse nicht, empfehle ich den Fachmann zu konsultieren, und von diesem auch zu kaufen. Ehrenwerte Händler werden die Echtheit der antiken Originalblätter, die sie Ihnen zum Verkauf anbieten auch garantieren. Große Auktionshäuser werden ebenfalls die Authentizität garantieren – innerhalb der Grenzen, die detailliert in den Verzichtserklärungen ihrer Kataloge aufgelistet sind. Allgemein basieren alle Garantien auf momentaner wissenschaftlicher Meinung. Sollte sich diese in der Zukunft verändern, kann der Händler oder das Auktionshaus nicht verantwortlich gemacht werden.

Kleinere Auktionshäuser werden für gewöhnlich nur das Medium garantieren. Kauft man eine „Rembrandt-Skizze“ bei ihnen und es stellt sich heraus, dass es keine Skizze ist, bekommt man das Geld zurück. Suchen Sie andere Einkaufsquellen, muss die Echtheitsgarantie zwischen Käufer und Verkäufer ausgearbeitet und idealerweise schriftlich fixiert werden. Sie sollten sich immer darüber im Klaren sein, welcher Grad der Authentizität garantiert wird. Bei einem antiken Stich bzw. Druck ist die Sachlage in der Regel klar, obwohl ein posthumer Nachdruck nicht den gleichen Wert hat wie ein früher Druck. Aber eine Zeichnung von Tintoretto ist nicht dasselbe wie eine Zeichnung, die man Tintoretto zuschreibt oder eine Zeichnung aus dem Kreis um Tintoretto. Die Unterscheidung ist eine Frage des Urteils, und da Urteile – sogar bezüglich ein und derselben Zeichnung – voneinander abweichen, sollten Sie sich dessen bewusst sein, welche Beurteilung hier anzuwenden ist.

 

3. Wie lässt sich die Angemessenheit des Preises feststellen?

Neben zeitgenössisch veröffentlichten Editionen existiert keine „Preisliste“ für antike Stiche bzw. Druckgrafiken und schon gar nicht für alte Zeichnungen. Der richtige Preis ist daher einfach der, auf den sich Käufer und Verkäufer einigen können. Ein Händler legt in der Regel einen Preis fest, der ihm angesichts des Marktwerts angemessen scheint. Unterschiedliche Händler mögen unterschiedliche Ansichten zu derselben Sachlage haben, obwohl die Abweichungen geringer sind als man annehmen könnte.

Andere Faktoren können jedoch mit hinein spielen: die tatsächlichen Kosten des Händlers, ob er den alten Stich bzw. Druckgrafik schätzt oder nicht, ob er zwei oder mehrere von ihnen besitzt, ob er weiß, dass er einen anderen Abnehmer dafür hat etc. Auktionshausschätzungen basieren auf früheren Verkäufen, können aber hoch oder niedriger festgelegt werden – im Sinne einer psychologischen Verkaufsförderung. Natürlich möchte man einen antiken Stich oder eine Druckgrafik für einen möglichst geringen Preis erwerben. Erfahrene Sammler werden Ihnen jedoch erzählen, dass sie es bedauern, bei zu hoch angesetzten Grafikobjekten nicht zugeschlagen zu haben.

 

4. Kann man einen günstigeren Preis aushandeln?

Sie können es versuchen. Manche Händler zeigen sich aufgeschlossen, andere weniger oder gar nicht. Der eine oder andere Händler lässt mit sich bezüglich bestimmter Objekte verhandeln, bezüglich anderer aber nicht. Wenn Sie das Gefühl haben, dass gehandelt werden sollte, gehen Sie diskret vor: „Gibt es eine Möglichkeit, dass Sie mir mit dem Preis entgegenkommen?“ klingt besser als „Und wie viel kostet es für mich?“ Seien Sie aber darauf gefasst, dass Sie ignoriert oder zur Tür begleitet werden, wenn der Händler eine Antipathie gegen Derartiges hegt. Im Auktionshaus verhandelt man natürlich sowieso nicht. Sie zahlen mehr als jeder der Bietenden bereit wäre oder Sie gehen ohne das Objekt nach Hause.

 

5. Handelt es sich um eine gute Investition?

Menschen, die Ihnen Kunst als Investition verkaufen wollen sind nicht in der Kunstbranche, sondern im Bankgewerbe. Daher wird ihr Wissen über die künstlerische Qualität ihrer Objekte höchstwahrscheinlich begrenzt sein, was dazu führt, dass die Investition – worum es auch immer geht – keine besondere sein wird. Die meisten Händler, die alte Grafiken bzw. Drucke und Zeichnungen anbieten, werden sich aber zumindest des für Sie interessanten Investitionsfaktors eines Kunstwerks bewusst sein – wie könnte es auch anders sein. Kein ehrwürdiger Händler würde einen„heißen Tipp“ anbieten, weil er wirklich daran glaubt. In diesem Fall, würde er das begehrliche Objekt gut verwahrt aufheben, bis der Wert steigt. Aber Händler werden Ihnen oft ihre fundierte Meinung darüber geben, ob das fragliche Objekt geschätzt wird oder nicht. Es existieren sehr wenige bestehende Grundregeln.

Eine essentielle Basisregel könnte lauten:„dass das Beste dazu tendiert, das Beste zu sein“.

 

6. Mache ich ein Schnäppchen?

Schnäppchen treten auf, wenn Käufer und Verkäufer drastisch unterschiedliche Meinungen über den Wert eines Objekts vertreten. Das gleiche Szenario sorgt auch für katastrophale Käufe. Hüten Sie sich vor Leuten, die Ihnen Schnäppchen anbieten, obwohl Sie sie noch nie zuvor gesehen haben. Hüten Sie sich vor Situationen, in denen Ihr Eindruck vom Wert eines Stücks den des Verkäufers deutlich übersteigt. Sie wissen vielleicht etwas, das er nicht weiß. Schnäppchen resultieren manchmal aus purem Glück, aber viel öfteraus Wissen. Die besten Schnäppchenjäger sind Kenner, die die Qualität ohne Bezug auf Namen, Moden oder Preishintergründe bestimmen können. Für alle nicht so Bewanderten ist ein Schnäppchen in der Regel der richtige alte Stich oder die passende Druckgrafik zum entsprechenden Preis.

 

7. Wie sieht es mit gestohlenen Waren aus?

Niemand, der klar denkt, will gestohlene Güter erwerben. Dennoch finden gestohlene Güter ihren Weg auf den Markt, manchmal durch die Hände eines ehrlichen Händlers, der davon nichts weiß. Für den Fall des Nachweises der gestohlenen Ware, wird der Händler Ihres Vertrauens Ihnen das Geld ersetzen. Ähnlich werden ehrenwerte Auktionshäuser verfahren.

 

8. Was tun wenn man sich mit antiken Stichen bzw. Druckgrafik und Zeichnungen nicht auskennt?

Es mag manche vielleicht überraschen – jeder ist manchmal ein Anfänger. Die meisten Händler wissen das und sind gerne bereit, ihre Zeit und ihr Wissen jedem zu widmen, der mehr als eitle Neugier an den Tag legt. Kennen Sie sich nicht aus, dann fragen Sie. Kein Händler wird sie deswegen für dumm einschätzen. Ganz im Gegenteil wird der Händler wahrscheinlich Ihre Klugheit bewundern, dass sie gerade ihn ausgewählt haben, um Ihre Fragen zu beantworten. Kunstmessen, beispielsweise, sind mehr als einfach nur eine Anhäufung von käuflichen alten Stichen bzw. Druckgrafiken und Zeichnungen. Tatsächlich sind sie eine Plattform mit einer Bündelung von komprimiertem Wissen erfahrener Experten. Sie zahlen Eintritt und es wäre unklug, diesbezüglich nicht davon zu profitieren.

Die andere Möglichkeit sich zu informieren ist die Internetrecherche. Sie finden hier fast jede gewünschte Information über antike Druckgrafik im Allgemeinen und im Besonderen.  

 

9. Wie viele wurden hergestellt?

Eine legitime Frage bezüglich alter Stiche bzw. Druckgrafik aus dem 20. Jahrhundert. Was alte Druckgrafik und Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert anbelangt, ist diese Frage schwierig zu beantworten. Über Druckgrafik vor dieser Zeit kann eine konkrete und detaillierte Aussage und Antwort nicht getroffen werden. Mit seltenen Ausnahmen begannen die Künstler erst im 19. Jahrhundert, die Anzahl der Stiche bzw. Drucke festzuhalten. Davor war die Edition auf natürliche Weise limitiert – aufgrund des Verschleißes der Matrix, von welcher der Druck erstellt wurde, sodass der erste und der letzte Druck von ein und derselben Druckstock in der Tat ganz unterschiedlich aussehen konnte. Eine sinnvollere Frage bezüglich frühen Drucken könnte lauten„Wie viele von ihnen sind noch in Umlauf?“, aber auch in diesem Fall sollten Sie nicht enttäuscht sein, wenn Sie keine Antwort erhalten. Die wirklich bedeutungsvollere Frage die man sich in Bezug auf frühe Drucke, und auch auf einige des 19. Jahrhunderts, stellen muss, heißt:„Wie hoch ist die Qualität?"

 

10. Wie hoch ist die Qualität?

Die Qualität bezieht sich zuerst einmal auf die alte Grafik selbst. Handelt es sich um eine der besonderen oder der weniger nachgefragten Themen des Künstlers? Ist sie wirklich gut oder weniger gut gefertigt – egal von wem? Bezüglich antiker Stiche bzw. Druckgrafik gilt die Frage nach der Qualität auch der Finesse der Druckvorlage undder physikalischen Beschaffenheit und Zusammensetzung des Papiers, tatsächlich ein Weg um herauszufinden, wie nah die spezifische Vorlage den Intentionen des Künstlers kam. Für ältere Drucke gilt: je früher die Druckvorlage, desto besser der Zustand der Platte. Die Druckqualität ist höher, wenn alle anderen Faktoren gleich sind. Der Zustand erklärt sich selbst. Ein unbeschädigter Druck ist besser als ein mit Makeln behafteter. Kleinere Schäden können vor allem bei älterer Druckgrafik eher hingenommen werden, als bei Grafik neueren Datums.

 

11. Was sollte ich sammeln?

Sammeln Sie, was Sie interessiert,was Ihnen gefällt und was im Rahmen Ihrer finanziellen Möglichkeiten liegt. Nur Sie wissen, was Ihnen gefällt und jeder Händler kann Sie im Hinblick auf Preise alter Grafik beraten. Sind Sie fasziniert von einer bestimmten Art des Stichs oder einer Zeichnung, spezialisieren Sie sich. Falls nicht, lassen Sie es. Eine allgemeiner gehaltene Sammlung wird für einen Außenstehenden weniger Sinn machen als eine Sammlung mit Spezialisierung auf bestimmte Themen. Aber für Sie kann Sie bedeutungsvoll sein und kann Ihnen zukünftig viel Freude bereiten.

Unser Ratschlag:Folgen Sie einfach Ihrem Gefühl. Wenn Sie ein antiker Stich bzw. Druckgrafik oder eine Zeichnung anspricht und fasziniert oder Sie zum Lächeln bringt, dann sind Sie auf der richtigen Fährte.

 

Copyright by Peter Insam